Gentests für Greyhounds - was macht Sinn, was nicht?!

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Gentests für Greyhounds - was macht Sinn, was nicht?!

Beitrag von Greyhound-Forum »

𝗚𝗲𝗻𝘁𝗲𝘀𝘁𝘀 𝗳ü𝗿 𝗚𝗿𝗲𝘆𝗵𝗼𝘂𝗻𝗱𝘀?
In den letzten Jahren hat sich viel getan, was die Erforschung von Erbkrankheiten bei Hunden angeht. Im Idealfall gehen aus diesen Untersuchungen am Ende kommerziell erhältliche Gentests hervor, die den Züchtern wertvolle Informationen für ihre Zuchtplanungen an die Hand gibt. Damit ein solches Testergebnis aber tatsächlich relevant ist, muss die betreffende Genvariante a) bei der jeweiligen Rasse vorkommen und b) der Zusammenhang zwischen der Genvariante und der Symptomatik nachgewiesen worden sein. In Fall spricht man von „Validierung“ eines Gentests.

Defektmutationen bei Hunden können teilweise sehr alt sein, d. h. sie sind schon früh während der Domestikation des Haushundes entstanden und waren bereits „mit an Bord“, als sich die einzelnen Hundeschläge und -rassen abgespalten haben. Solche Genvarianten finden sich heutzutage bei vielen verschiedenen Hunderassen – Beispiele sind die SOD1-Mutation (Degenerative Myelopathie) oder die SLC2A9-Variante (Hyperikosurie),

Andere Mutationen sind erst wesentlich später passiert, teilweise sogar erst, nachdem einzelne Hunderassen durch Schließung der Zuchtbücher zu abgeschlossenen Populationen wurden. In diesen Fällen findet man den Zusammenhang „Mutation => Symptomatik“ zum Teil nur bei einer einzigen Hunderasse oder Rassegruppe (z. B. Neuropathie beim Show-Greyhound). Es kommt jedoch häufiger vor, dass ein ähnliches Krankheitsbild bei vielen verschiedenen Hunderassen auftritt, aber jeweils unterschiedliche Mutationen (teilweise sogar an unterschiedlichen Genorten) zugrunde liegen. Ein bekanntes Beispiel dafür die die Progressive Retina-Atrophie (PRA), wo inzwischen mehr als 20 unterschiedliche ursächliche Mutationen bekannt sind, die dieses Krankheitsbild bei verschiedenen Hunderassen hervorrufen. Da muss man also gut aufpassen, welchen Test man für seinen jeweiligen Hund bestellt! Und es gibt auch Hunderassen, bei denen nachgewiesenermaßen das klinische Bild von PRA vorkommt, aber die genetische Ursache noch im Dunklen liegt (z. B. beim Whippet). Da hilft es auch nichts, den Hund auf drölfundfünfzig von anderen Rassen bekannte PRA-Varianten testen zu lassen – hier hilft nur eine regelmäßig klinische Augenuntersuchung vor der Zuchtverwendung, das Risiko zu vermindern.
Ähnlich sinnlos ist es, Greyhounds auf das "𝗞𝗻𝗶𝗰𝗸𝗿𝘂𝘁𝗲𝗻-𝗚𝗲𝗻" zu testen. Wieso? Es gibt derzeit zwei bekannte Genvarianten, die Einfluss auf Rutenlänge und Form haben. Die eine betrifft das TBXT-Gen und ist für angeborene Stummelruten („natural Bobtail“) verantwortlich. Dies finden wir bei einigen Hunderassen, z. B. Welsh Corgi Pembroke, Australian Shepherd oder Epagneul Breton. Da der Erbgang autosomal dominant ist, kann man Träger dieser Mutation erkennen: Sie haben nämlich seit der Geburt (bis auf ganz wenige Ausnahmen) eine mehr oder weniger stark verkürzte Rute. Damit ist dieser Test eigentlich nur notwendig, wenn aus irgendwelchen Gründen nachgewiesen werden soll, dass eine kurze Rute angeboren und nicht etwa kupiert ist.
Die andere Genmutation, die Einfluss auf Rutenlänge und -form hat, ist die am DVL2-Gen. Diese autosomal-rezessiv vererbte Genvariante verursacht bei Hunderassen vom „Bulldog-Typ“ die typischen Stummel- oder Korkenzieherruten, die meist mit erheblichen Wirbelanomalien nicht nur in der Rute, sondern auch in der übrigen Wirbelsäule einhergehen. Zusätzlich trägt diese Genvariante auch zum gesamten „brachyzephalen Typus“ (breite Köpfe und kurze Schnauzen) bei. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass man die Genmutation bei verschiedenen Rassen dieses Typs findet, vor allem bei Französischer und Englischer Bulldogge und ihren diversen Verwandten. Allerdings tritt sie nicht bei allen brachyzephalen Hunderassen auf – „Brachys“ mit normaler Rutenlänge wie Pekinese oder King Charles Spaniel tragen sie nicht. Umgekehrt gibt es eigentlich per definitionem nicht-brachyzephale Hunderassen wie den American Staffordshire Terrier, wo die Mutation gefunden wurde. Bei diesen Staffies – besonders bei den reinerbigen Rassevertretern – wurden nicht nur Rutenanomalien, sondern auch signifikante Veränderungen an der Kopfform wie ein deutlich verkürzter harter Gaumen (Verkürzung der Schnauze) gefunden.
Um den Sachverhalt noch etwas komplexer zu gestalten, treten unabhängig von diesen bekannten Gen-Mutationen Rutenanomalien bei eigentlich allen bekannten Hunderassen auf. Grundsätzlich können Hunde mit einer geringgradigen Rutenanomalie (insbesondere, wenn die restliche Wirbelsäule nicht betroffen ist) putzmunter steinalt werden.
Bei einigen Hunderassen führen sie aber gemäß Rassestandard gleich zum Zuchtausschluss (z. B. Barsoi), bei anderen wird eine Zuchtzulassung von Art und Schwere der Veränderung abhängig gemacht (z. B. Hovawart), bei wieder anderen werden sie kaum berücksichtigt.
Bei Greyhounds sind Knickruten aber vorwiegend ein „kosmetisches Problem“, welches bisweilen zur Abwertung auf Hundeausstellungen führt. Aber da ist aller Wahrscheinlichkeit keine der beiden genannten Genvarianten beteiligt. Insbesondere nicht die DVL2-Mutation, denn das würde sich auch im restlichen Exterieur niederschlagen (kurze Schnauze, breiter Kopf).
Daher: Erst informieren, dann testen 🤓
𝗪𝗲𝗹𝗰𝗵𝗲 𝗗𝗡𝗔-𝗧𝗲𝘀𝘁𝘀 𝗳ü𝗿 𝗚𝗿𝗲𝘆𝗵𝗼𝘂𝗻𝗱𝘀 𝘀𝗶𝗻𝗱 𝗱𝗮𝗴𝗲𝗴𝗲𝗻 𝘀𝗶𝗻𝗻𝘃𝗼𝗹𝗹 𝘂𝗻𝗱 𝗲𝗺𝗽𝗳𝗲𝗵𝗹𝗲𝗻𝘀𝘄𝗲𝗿𝘁?
Für alle Greyhounds (gleich welcher Abstammung) ist der 𝗗𝗘𝗣𝗢𝗛-𝗧𝗲𝘀𝘁 (SERPINF2-Gen) empfehlenswert. Denn dann weiß man als Halter, ob im Falle einer Verletzung oder anstehenden Operation vorbeugende Maßnahmen gegen eine verfrühte Fibrinolyse ratsam sind.
Für Greyhounds aus Showlinien zudem der Test auf 𝗚𝗿𝗲𝘆𝗵𝗼𝘂𝗻𝗱-𝗡𝗲𝘂𝗿𝗼𝗽𝗮𝘁𝗵𝗶𝗲 (NDRG1-Gen), wenn der betreffende Hund nicht aus einer Verpaarung von nachweislich „freien“ Elterntieren stammt. Dies ist insbesondere für Zuchttiere dringend anzuraten.
Den Test auf 𝗡𝗮𝘀𝗮𝗹𝗲 𝗣𝗮𝗿𝗮𝗸𝗲𝗿𝗮𝘁𝗼𝘀𝗲 (SUV39H2-Gen) kann man machen, wenn man denn möchte. Laut zugrundeliegender Studie kommt diese Mutation "selten (etwa 2 % Träger) in der internationalen Greyhound-Population vor, einschließlich Renn- und Show-Blutlinien" vor. In der Vergangenheit gab es ein oder zwei bekannte Fälle bei deutschen Renngreys. Bei der OFA sind derzeit Testergebnisse für fünf Greyhounds hinterlegt, wovon drei reine Show-Greyhounds „frei“ sind, ein Renngreyhound und ein Grey gemischter Abstammung mischerbige „Träger“. Bei MyDogDNA / WisdomPanel ist der Test im Panel enthalten. Ergebnisse für 105 Greyhounds weisen eine Allelfrequenz von 3,8 % aus. Fazit: Der Test macht vermutlich mehr Sinn für Greyhounds aus Rennlinien, insgesamt sollte ihm jedoch keine Priorität eingeräumt werden.
Über das Vorkommen der für „𝗠𝗮𝗹𝗶𝗴𝗻𝗲 𝗛𝘆𝗽𝗲𝗿𝘁𝗵𝗲𝗿𝗺𝗶𝗲“ verantwortlich gemachten Gen-Variante des RYR1-Gens beim Greyhound liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Der MH-Test ist / war Bestandteil verschiedener Panel-Tests (z. B. MyDogDNA, Embark), wurde aber bei einigen Anbietern inzwischen aus dem Angebot entfernt, da er sich als nicht valide herausgestellt hat. Auf diesen Test sollte man daher besser verzichten, da er – wenn überhaupt – nur falsche Sicherheit hinsichtlich des MH-Risikos bei Greyhounds liefert. Wenn man dieses wirklich einschätzen möchte, bleibt einem wohl oder übel derzeit nur die Muskelbiopsie.
Der Test auf 𝗗𝗲𝗴𝗲𝗻𝗲𝗿𝗮𝘁𝗶𝘃𝗲 𝗠𝘆𝗲𝗹𝗼𝗽𝗮𝘁𝗵𝗶𝗲 wird insbesondere in den USA gerne bei Greyhounds gemacht, obwohl der Nachweis zwischen dem Auftreten der SOD1-Mutation und tatsächlicher Degenerativer Myelopathie beim Greyhound noch gar nicht geführt wurde. Von den 40 Greyhound-Ergebnisse in der OFA-Datenbank sind 38 Hunde frei, einer ist Carrier und einer reinerbig für die SOD1-Mutation. Bei den beiden letzteren Hunden handelt es sich um Greyhounds ohne Abstammungsnachweis. MyDogDNA / WisdomPanel-Ergebnisse für 105 Greyhounds weisen eine Allelfrequenz von 0,5 % auf, d. h ein Greyhound aus dieser Kohorte ist mischerbiger Carrier für die SOD1-Mutation. Es ist davon auszugehen, dass dieser Test keine Relevanz für Greyhounds aufweist und ein Testergebnis auch keinerlei Aussagekraft hinsichtlich der Auftretenswahrscheinlichkeit für Bewegungs- und Koordinationsstörungen im Alter besitzt.
Genauso sinnfrei für Greyhounds ist der Test auf das „𝗜𝗩𝗗𝗗-𝗥𝗶𝘀𝗶𝗸𝗼“ (CDDY), um die Gefahr des Auftretens von Bandscheibenvorfällen einschätzen zu können. Bandscheibenvorfälle und – vorwölbungen werden zwar regelmäßig für den Greyhound beschrieben, haben aber nichts mit der CDDY-Genvariante zu tun. Das ist eigentlich offensichtlich, denn diese Genvariante sorgt vor allem für eine Verkürzung der Beinlänge. Und das auch schon, wenn nur eine Kopie der Mutation vorliegt. Und obgleich man sich bei manchen Showgreyhounds inzwischen nicht des Eindrucks erwehren kann, sie seien kurzbeiniger als eigentlich für die Rasse vorgesehen, wurde diese Gen-Variante bei keinem der 105 Greyhounds aus des MyDogDNA / Wisdom-Panel-Kohorte nachgewiesen. Auch diesen Test kann man sich sparen und sollte das Geld lieber in eine röntgenologische Untersuchung der Wirbelsäule investieren.
Und was ist mit dem „𝗕𝗮𝗹𝗱 𝗧𝗵𝗶𝗴𝗵 𝗦𝘆𝗻𝗱𝗿𝗼𝗺𝗲“? Untersuchungen haben gezeigt, dass es bei Greyhounds zu einer gehemmten Synthese bzw. Expression von Genen kommt, die für die Differenzierung und den richtigen Aufbau des Haarschafts zuständig sind. Damit korrespondiert das geringere Vorhandensein der eigentlich dadurch „hergestellten“ Proteine in den Haaren der betroffenen Hunde. Mit dafür verantwortlich gemacht wird eine Missense-Mutation des IGFBP5-Gens. Nur: Für diese Mutation waren in der zugrundeliegenden Studie sämtliche Greyhounds (ob mit oder ohne kahle Schenkel) reinerbig. Und auch in der MyDogDNA / Wisdom-Panel-Kohorte gab es eine Allelfrequenz von über 93 % für diese Gen-Variante. Also kann man sich diesen Test ebenfalls sparen – und davon ausgehen, dass ein Greyhound diese Mutation trägt.
𝗙𝗮𝘇𝗶𝘁: Es gibt nur wenige DNA-Tests, die für Greyhounds sinnvoll sind. Wenn man einen Paneltest für seinen Hund machen möchte, sollte man darauf achten, dass zumindest die für Greyhounds relevanten Gen-Varianten enthalten sind. Und wissen, wie man die übrigen Ergebnisse dieses Tests zu interpretieren hat.
Sinnvoller und empfehlenswert ist hingegen die Testung auf 𝗴𝗲𝗻𝗲𝘁𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲 𝗗𝗶𝘃𝗲𝗿𝘀𝗶𝘁ä𝘁 und ggfs. auch auf die DLA-Haplotypen. Wenn man diese Ergebnisse bei der Zuchtplanung berücksichtigt, wird gewiss wesentlich mehr für die allgemeine Gesundheit der Nachkommen getan als mit wenig aussagekräftigen Tests auf diese oder jene Genvariante.
𝗨𝗻𝗱 𝗹𝗮𝘀𝘁, 𝗯𝘂𝘁 𝗻𝗼𝘁 𝗹𝗲𝗮𝘀𝘁 𝗲𝗿𝘀𝗲𝘁𝘇𝗲𝗻 𝗚𝗲𝗻𝘁𝗲𝘀𝘁 𝗸𝗲𝗶𝗻𝗲𝘀𝗳𝗮𝗹𝗹𝘀 𝗸𝗹𝗶𝗻𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲 𝗨𝗻𝘁𝗲𝗿𝘀𝘂𝗰𝗵𝘂𝗻𝗴𝗲𝗻. Zucht- und Sporthunde sollten mindestens regelmäßig umfassend herzuntersucht werden (Ultraschall), außerdem ist eine röntgenologische Beurteilung der Wirbelsäule anzuraten.
Quelle: https://www.facebook.com/Greyhoundshow
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Nur wer einmal seinen Windhund jagen gesehen hat, der weiß, was er an der Leine hat!
Michaela
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