Bleeding Disorder / DEPOH beim Greyhound

rund um die Versorgung bei einer Erkrankung
Antworten
Benutzeravatar
Greyhound-Forum
Administrator
Beiträge: 14887
Registriert: Mi 12. Jan 2011, 06:44

Bleeding Disorder / DEPOH beim Greyhound

Beitrag von Greyhound-Forum »

„𝗗𝗘𝗣𝗢𝗛“ 𝗯𝗲𝗶𝗺 𝗚𝗿𝗲𝘆𝗵𝗼𝘂𝗻𝗱
Ungefähr vor einem Jahr wurde die Erkenntnisse über eine Mutation am SERPINF2-Gen veröffentlicht, die für die erhöhte postoperative Blutungsneigung („delayed postoperative hemorrhage“ – „DEPOH“) einiger Windhunde verantwortlich zu sein scheint.
𝗪𝗮𝘀 𝗶𝘀𝘁 „𝗗𝗘𝗣𝗢𝗛“?
Im Gegensatz zu den bekannteren „Bluter-Krankheiten“ wie z. B. der Von-Willebrand-Krankheit, handelt es sich hierbei nicht um eine Blutgerinnungsstörung, sondern um eine vorzeitige Auflösung von Blutgerinnseln, die eigentlich eine Wunde bis zu deren Abheilung verschließen sollten.
Nach einer Operation oder Verletzung kommt die Blutung also wie erwartet zum Stillstand - einige Stunden bis einige Tage danach können jedoch wieder unerwartete und zum Teil übermäßige Blutungen an diesen Stellen auftreten.
Die Blutungen können sich als ausgedehnter Bluterguss rund um die ursprüngliche Wunde, als Sickerblutung aus der Wunde nach außen und/oder als innere Blutungen im OP-Gebiet äußern, welche auch generalisiert werden können. Letzteres kann unbehandelt tödlich enden.
𝗪𝗼𝗱𝘂𝗿𝗰𝗵 𝘄𝗶𝗿𝗱 „𝗗𝗘𝗣𝗢𝗛“ 𝘃𝗲𝗿𝘂𝗿𝘀𝗮𝗰𝗵𝘁?
Nachgewiesen wurde der zugrundeliegende Gen-Defekt zunächst für den Deerhound, inzwischen ist der Test aber auch für den Greyhound validiert und wird in Deutschland bei Labogen angeboten.
Die Variante, die DEPOH verursacht, wird als dominantes Gen mit unvollständiger Penetranz vererbt, d. h. Hunde sind entweder unbelastet (keine Kopien der Mutation) oder betroffen (mit einer oder zwei Kopien des Gens).
𝗚𝗶𝗯𝘁 𝗲𝘀 𝗱𝗶𝗲 𝗗𝗘𝗣𝗢𝗛-𝗠𝘂𝘁𝗮𝘁𝗶𝗼𝗻 𝗮𝘂𝗰𝗵 𝗯𝗲𝗶𝗺 𝗚𝗿𝗲𝘆𝗵𝗼𝘂𝗻𝗱?
Mindestens zehn Greyhounds aus Deutschland wurden inzwischen getestet. Zwei Greyhounds aus Show-Linien und zwei Renngreyhounds aus dieser Stichprobe sind reinerbig betroffen (DEPOH/DEPOH), zwei Renngreyhounds, eine Hündin aus Showlinien sowie eine Hündin aus Coursing x Showlinie sind mischerbig (N/DEPOH) und eine Renngrey-Hündin ist frei (N/N).
Bei zweien der beiden reinerbig betroffenen Greyhounds (knapp drei bzw. vier Jahre alt) sind bisher trotz der allfälligen kleinen Verletzungen, die ein aktives Greyhoundleben mit Freilauf, Spiel und Coursing mit sich bringen, keinerlei Komplikationen aufgetreten. Auch nicht, wenn diese Hunde als Blutspender herangezogen werden. Das ist es, was mit „unvollständiger Penetranz“ gemeint ist - nicht bei jedem Anlageträger bzw. bei jeder Wunde oder Verletzung eines Anlageträgers treten die Probleme mit verzögert auftretenden Blutungen auf. Auf das Blutbild hat die Mutation keine Auswirkungen, daher haben solche Hunde "normale" Blutwerte und Gerinnungsparameter.
Bei den beiden anderen für die Mutation reinerbigen Hunden (sechs bzw. 11 Jahre alt) ist jemals einmal in ihrem Leben nach einem schweren Unfall bzw. einer umfangreicheren Operation eine DEPOH-Symptomatik aufgetreten. Für die mischerbigen Hunde wurden bis jetzt keine Vorkommnisse dieser Art berichtet.
𝗪𝗮𝘀 𝗸𝗮𝗻𝗻 𝗺𝗮𝗻 𝗱𝗮𝗴𝗲𝗴𝗲𝗻 𝗺𝗮𝗰𝗵𝗲𝗻?
Die gute Nachricht ist, dass man dieser Problematik – wenn man sich ihrer gewahr ist – sehr gut vorbeugen kann. Mittel der Wahl ist Tranexamsäure (Cyklokapron®). Bei Hunden mit zwei Kopien der DEPOH-Variante (homozygot betroffene Hunde) sollte dieses Medikament prophylaktisch verabreicht werden, und zwar am Tag der Operation mindestens drei Stunden vor dem Eingriff und anschließend fünf Tage lang dreimal täglich.
Bei Hunden mit einer Kopie der DEPOH-Variante (heterozygot betroffene Hunde) oder bei Hunden, deren genetischer Status unbekannt ist, reicht es in der Regel aus, den Hund 48 Stunden nach der Operation/Verletzung engmaschig zu überwachen, das Medikament bereitzuhalten und es bei Anzeichen von Blutungen zu verabreichen. Besitzer, die sich für eine Überwachung entscheiden, sollten sicherstellen, dass das Krankenhaus eine 24-Stunden-Betreuung und etwas Tranexamsäure bereithält, wenn der Hund über Nacht bleibt. Die prophylaktische Verabreichung von Tranexamsäure an Greyhounds, die die Mutation nicht tragen, ist weniger zu empfehlen – dies kann das Thromboserisiko erhöhen.
Wichtig: Tierarztpraxen haben dieses Medikament nicht unbedingt vorrätig, sprechen Sie daher Ihren Haustierarzt bei Gelegenheit einmal darauf an, wenn Sie einen betroffenen Greyhound haben!
Die Nutzung des nun verfügbaren DNA-Tests ist also für alle Greyhounds sinnvoll und empfehlenswert, um im Falle eines Falles vorbereitet zu sein.
𝗪𝗮𝘀 𝗯𝗲𝗱𝗲𝘂𝘁𝗲𝘁 𝗱𝗮𝘀 𝗳ü𝗿 𝗱𝗶𝗲 𝗚𝗿𝗲𝘆𝗵𝗼𝘂𝗻𝗱-𝗭𝘂𝗰𝗵𝘁?
Noch ein paar Worte zur züchterischen Nutzung dieser neuen Testmöglichkeit:
BITTE denken Sie daran, dass es sich um ein behandelbares und vermeidbares Problem handelt. Im Zuge der Erforschung dieses Merkmals wurde auch schon die Hypothese geäußert, dass es sich um einen evolutionären Anpassungsmechanismus an die Rennleistung handeln könnte, der die Gerinnung von Blut mit hoher Viskosität (Greyhounds haben einen hohen Hämatokrit und eine hohe Vollblutviskosität), das durch große Muskelmassen zirkuliert, verhindern soll. Es könnte sich also sogar um eine Art Schutzsystem sein, um das Risiko intravaskulärer Thrombosen während starker körperlicher Anstrengungen zu senken.
Dieser Test wird uns sagen, welche Greyhounds ein Risiko für postoperative Blutungen haben und mit Tranexamsäure behandelt werden müssen. Wir empfehlen NICHT, dass Greyhounds aus der Zucht genommen werden sollten, weil sie diese Mutation haben. UNSER GENPOOL KANN ES SICH NICHT LEISTEN, NOCH WEITER REDUZIERT ZU WERDEN. Also bitte: Obwohl es ein naheliegender Impuls ist, Hunde mit einer potenziell schädlichen Mutation aus Zuchtprogrammen zu entfernen, müssen wir unser Denken dahingehend ändern, dass wir den DEPOH-Status bei der Zuchtplanung berücksichtigen und Welpenkäufer über den DEPOH-Status ihrer Welpen informieren. Wichtig ist, dass jeder Greyhound-Besitzer den DEPOH-Status seines Hundes kennt, damit für den Fall, dass eine Operation erforderlich ist oder ein Trauma auftritt, geeignete Vorsichtsmaßnahmen für betroffene Hunde getroffen werden können.
Bestellen kann man den Test bei Labogen: https://shop.labogen.com/gentest-bestel ... greyhound/

Zum Weiterlesen: https://labs.wsu.edu/court-lab/delayed- ... a1hAXn0bFQ

Die zugrundeliegende wissenschaftliche Veröffentlichung: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36780177/
Quelle The Greyhoundshow
Dateianhänge
bdo.jpg
bdo.jpg (204.48 KiB) 305 mal betrachtet
Bild
Nur wer einmal seinen Windhund jagen gesehen hat, der weiß, was er an der Leine hat!
Michaela
Antworten

Zurück zu „Krankheiten und erste Hilfe“